„Is´ ja wirklich schön kuschlig hier“, grinste Sirius, während er es sich auf dem umgedrehten Putzeimer so bequem wie möglich machte, „Aber kann mir nochmal jemand erklären, warum der Vertrauensschüler von Hufflepuff mich dazu aufgefordert hat die Schulregeln zu brechen und nach der Nachtruhe hier noch ein kleines Stelldichein abzuhalten?“
„Du bist nicht der Einzige, der eingeladen wurde“, grummelte Sue, „Warum habt ihr ihn überhaupt dazu geholt?“
„Ich hatte eindeutig nach Remus Lupin schicken lassen…“, antwortete Roux ruhig, der neben der angelehnten Tür lehnte und aus dem Spalt lugte.
„Der hat sich verkrochen“, winkte Sirius mit übertrieben dramatischer Geste ab und verdrehte dann die Augen, „Hat irgendwas gemurmelt von wegen Bauchschmerzen. Also wirklich, Rose, was hast du dem Armen nur angetan?“
Ich schluckte schwer und Roux verzog unglücklich das Gesicht, als er es bemerkte.
„Vielleicht solltest du besser-…“, setzte er an Sirius gewandt an, doch ich hob die Hand und unterbrach ihn damit.
„Es ist in Ordnung. Wenn Remus nicht kommen will, dann eben Sirius“
„Ich fühle mich geehrt“, deutete der junge Gryffindor eine kleine Verbeugung vor mir an, „Aber worum geht es denn jetzt genau?“
„Warte noch einen Moment“, murmelte Roux, während er weiter durch den Spalt spähte, „Es fehlt noch jemanden“
Während Sirius sich anscheinend köstlich zu amüsieren schien, saßen die Anderen alle in leichter Anspannung auf den Stapeln aus Lappen, Kisten und umgedrehten Eimern. Sirius hatte Recht. Es war wirklich reichlich eng in der Besenkammer des ersten Stocks, doch von dort aus war es für uns alle gleich weit, um zu unseren Gemeinschaftsräumen zurück zu kehren und von hier gingen gleich drei Korridore und zwei Geheimgänge ab.
Als sich leise Schritte näherten spannten alle die Muskeln an, doch Roux hatte die Person eindeutig erkannt und öffnete vorsichtig die Tür.
„Komm rein, schnell“
Lily unterdrückte ein Fluchen, als sie durch die halb offene Tür huschte und direkt über Alan stolperte, der auf dem Boden im Schneidersitz saß.
„Was soll das hier?“, fragte sie und versuchte im trüben Licht der einzelnen Kerzen die Gesichter der Anwesenden auszumachen.
„Hör einfach nur zu“, Sue klopfte neben sich auf den letzten freien Platz, eine Kiste, in der es unheilvoll raschelte.
Lily verzog zwar kurz das Gesicht, doch als sie mich in der hinteren Ecke, eingeklemmt zwischen zwei Wischmopps und drei Besen, kauern sah, setzte sie sich und wartete wie die Anderen gespannt, was nun geschehen würde.
Mir hatte Roux die Zeit gegeben einen trockenen Pullover anzuziehen, er selbst jedoch trug immer noch sein völlig durchweichtes Hemd und ich konnte mit all meinen Sinnen wahr nehmen, dass ihm die Kälte langsam zu schaffen machte.
Lily, Sue und Marlene trugen ihre Schlafanzüge, Sirius und Alan noch ihre Schuluniform. Draußen war es bereits dunkel und in wenigen Stunden würde der Hogwartsexpress sie alle abholen, um sie zu ihren Familien nach Hause zu bringen. Trotzdem waren sie alle hier.
„Roselynn würde euch gerne einige Dinge erzählen“, begann Roux, während er weiter die Tür im Auge behielt, die Arme vor der zitternden Brust verschränkt, „Doch diese-… Unterhaltung hat Regeln. Sie wird euch genau das erzählen, was sie euch erzählen kann. Ihr dürft Fragen stellen, doch sie muss sie nicht beantworten“
„Klingt… unausgeglichen“, murmelte Alan und zog kritisch die Augenbrauen zusammen.
„Das mag sein“, zuckte Roux mit den Achseln, „aber es muss sein. Wir haben euch alle“, dabei warf er Sirius einen kurzen Blick zu, „gebeten hierher zu kommen, weil wir glauben, dass wir euch vertrauen können. Roselynn war bereits der festen Überzeugung, dass es am Besten ist, wenn sie überhaupt keine Freunde hat und alles bleibt, wie es die letzten Wochen war. Ich dagegen sage, dass sie Freunde sehr gut gebrauchen kann, sie euch allerdings auch zeigen muss, dass sie euch vertraut. Dieses Gespräch soll dafür sorgen, dass ihr sie besser versteht und ihr gegebenenfalls helfen könnt, gewissen Situationen aus dem Weg zu gehen oder ihnen besser zu begegnen“
„Jetzt versteh ich, warum du Vertrauensschüler bist“, biss sich Marlene auf die Unterlippe, blickte jedoch einigermaßen beeindruckt drein, „Du klingst schon fast wie Professor McGonagall“
„Ich nehme das als Kompliment“, erwiderte Roux trocken, doch ich sah, wie seine Mundwinkel kurz nach oben zuckten, „Bevor Rose allerdings anfängt, ist irgendwer nicht daran interessiert zu hören, was sie zu sagen hat?“
Schon eine solche Frage ließ mir kurz den Atem stocken, doch alle meine Freunde blieben stumm.
„In Ordnung. Dies hier heißt nicht, dass ihr dazu verpflichtet seid, auf sie aufzupassen. Wie wir alle wissen, kann sie das durchaus selbst. Allerdings würden wir euch bitten, alles, was hier erzählt wurde, für euch zu behalten. Auch euren engsten Freunden und Familien gegenüber“
„Du machst es wirklich spannend“, nickte Sirius anerkennend.
„Das hier ist kein Spiel, Black“, entgegnete Roux streng.
„Sagst du dem Typen in rot und gold, dessen ganze Familie in grün und silber durch die Gegend läuft“, antwortete Sirius und täuschte ein Gähnen vor, „Und das schon seit Generationen. Du könntest mich jetzt ohne Zauberstab in den Verbotenen Wald fluchen und ich schwöre dir, es wäre nicht halb so schlimm wie morgen meiner Mutter zu begegnen“
„Das-… tut mir leid“, gestand Roux ehrlich ein und wirkte tatsächlich ein wenig geknickt, doch Sirius winkte gönnerhaft ab.
„Schwamm drüber“
Ich jedoch konnte sehen, dass seine coole Fassade bereits brüchig war. Er hatte Angst und ich wusste auch warum.
„Darf ich eine Frage stellen?“, hob Marlene da vorsichtig die Hand.
„Wir haben doch noch nicht Mal angefangen“, protestierte Sue, die neben mir saß wie eine kleine, schlecht gelaunte Bulldogge.
„Ist in Ordnung“, krächzte ich und versuchte mich an einem Lächeln.
„Aber denkt an die Regeln: Wenn Rose die Frage nicht beantworten darf oder will, ist das in Ordnung“, erinnerte Roux sie.
Alle nickten, dann wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder Marlene zu.
„Warum reden du und Elias nicht mehr miteinander?“, fragte sie und ließ damit meinen Magen sofort als großen Eisklotz auf den Grund meines Bauches plumpsen, „Er weicht jedem Gespräch über dich aus und wird sehr nervös, wenn du in der Näher bist. Ich bin nicht dumm“, setzte sie nach und versuchte nicht die Unterlippe vorzuschieben, „Mir fallen auch manche Dinge auf. Ihr seid euch eigentlich sehr ähnlich. Ich dachte, dass ihr euch vielleicht gut versteht“
„Das-… haben wir auch“, stammelte ich und musste schon wieder schlucken, „Aber-… er hat einen Fehler gemacht und ich habe ziemlich übertrieben darauf reagiert“
„Was für einen Fehler?“, fragte Marlene weiter und ich sah, wie Roux schon verärgert die Augenbrauen zusammen zog und hob deshalb in seine Richtung die Hand.
„Lucius Malfoy hat ihn nach Informationen über mich ausgefragt, damit er mich auf der ersten Slug-Party bloßstellen konnte“
Sofort wurde Marlenes Gesichtsausdruck bitter.
„Bitte sag mir, dass er ihn zu den Flubberwürmern gewünscht hat“, murmelte sie, doch ich war mir sicher, dass sie die Antwort bereits kannte.
„Ich habe übertrieben reagiert. Seitdem hat er-… Angst vor mir“
„Angst vor dir?“, platzte Sirius heraus und musste sich die Hände auf den Mund pressen, um nicht laut los zu lachen.
„Halt die Klappe, Black!“, fauchte Lily und wandte sich dann an mich, „Hast du mit Remus ein ähnliches Problem?“
„Ich befürchte ja, aber ich weiß nicht, was der Auslöser war“, gab ich zu.
„Und du willst auch bestimmt nicht, dass wir mit einem der beiden reden, oder?“, hakte Marlene nach.
„Das werde ich nach den Ferien selbst tun“, antwortete ich und knetete unglücklich meine Finger, „Momentan-… habe ich leider nicht den Mut dazu“
„Alles mit der Zeit“, nickte Alan, „Wie wäre es jetzt erstmal damit: Du erzählst uns, was du erzählen wolltest, danach stellen wir Fragen?“
„Klingt gut“, stimmte ich ihm zu und seufzte dann, „Also-… wie ihr alle wisst bin ich in Ungarn aufgewachsen, im Drachen-Reservat von Kristóf Zoltán. Er und der Arzt dort, Dr. Imre, haben mich aufgenommen und erzogen. Ich habe drei Brüder, allerdings-… sie sind mir irgendwie ähnlich, haben es aber nicht so mit der Magie…“
„Sind die Squibs?“, fragte Alan.
„Was ist ein Squib?“, platzten Lily und ich gleichzeitig heraus.
„Ein Mensch, der aus einen Zaubererfamilie abstammt, aber die magischen Kräfte nicht geerbt hat“, erklärte Roux kurz angebunden, „Sie können, anders als Muggel, Magie sehen, sind aber nicht dazu in der Lage sie auszuüben“
„Dann, ja…“, murmelte ich und nickte, „Sie sind Squibs. Und manchmal macht das-… die Kommunikation etwas schwierig“
„Drei auf einmal?“, fragte Sirius verblüfft und ich verzog das Gesicht.
„Mehr kann ich dir dazu-…“, setzte ich an, doch er hob sofort die Hände.
„Alles okay“, zog er die Frage zurück.
„Okay-… also… meine Eltern sind-… also mein Vater ist, glaube ich, noch am Leben, aber so genau weiß ich das nicht. Er musste uns aus… sagen wir beruflichen Gründen verlassen und gilt seither als verschollen. Meine Mutter-… ist ermordet worden“
Ein Schauder lief durch die Runde meiner Freunde und alle wurden plötzlich sehr still.
„Kristóf hat mich sofort bei sich aufgenommen!“, versuchte ich sie zu beruhigen, doch es klappte nicht wirklich, „Allerdings-… sind meine Brüder und ich nun Mal ein bisschen anders. Sie, weil sie keine Magie besitzen, ich, weil ich-… naja, praktisch etwas zu viel abbekommen habe. Schon als Kind habe ich dauernd-… Dinge verwandelt und großes magisches Potential gezeigt. Das Zaubereiministerium hat dem allem nicht getraut und war nicht sehr glücklich damit. Sie haben mir den Kontakt zur Außenwelt verboten. Deshalb ist es jetzt hier für mich oft schwierig, bei Gesprächen mit euch mit zu halten“
„Du hast also tatsächlich noch nie ein Baby-…“, setzte Lily an und ich schüttelte den Kopf.
„Und-… bevor du zu uns in den Laden kamst hast du dir wirklich noch nie-…?“, fragte Sue abgehackt.
Erneut schüttelte ich den Kopf.
„Das ist übel“, brummte Sirius und ließ in einem langen Atemzug die Luft aus seinen Lungen entweichen.
„Was meinst du damit, dass du etwas zu viel Magie abbekommen hast?“, fragte Marlene vorsichtig.
„Ich-… ich kann euch nicht alles sagen, aber um mich herum passieren gerne schräge Dinge“
„Das haben wir schon gemerkt“, lachte Sirius.
„Was noch?“, fragte Alan und ich sah ein Funkeln in seinen Augen, als wäre ihm gerade etwas eingefallen, „Sag Mal… haben deine magischen Kräfte auch Einfluss auf deine Sinne? Zum Beispiel-… sagen wir, auf deinen Geruchssinn?“
„Woher weißt du das?“, fragte ich verblüfft.
„Du bist nicht die Einzige, die andere Leute beobachten kann“, stieß Sue mir ihren Ellenbogen in die Seite, doch ich sah, dass sie lächelte, „Lass mich raten: du hörst auch sehr viel besser“
Verlegen musste ich nicken.
„Ist das die ganze Zeit so?“, fragte Lily und ich sah die Faszination in ihrem Blick.
„Oft ist es nur eine Art Untergrundrauschen. Aber wenn ich mich sehr aufrege oder sehr müde bin, schiebt es sich in den Vordergrund“
„Das erklärt, warum du so gut in Zaubertränke bist!“, lachte Alan und lehnte sich wie erleichtert an die Wand zurück, „Du mogelst!“
„Ich mogele nicht!“, schnappte ich, doch er kicherte nur.
„Glaub mir, wenn ich das könnte, würde ich es die ganze Zeit machen!“
„Wie ist es mit den Augen?“, fragte Sirius argwöhnisch, „Du kannst doch nicht durch unsere Kleider durch sehen oder sowas?“
„Hast du Angst, ich könnte da etwas sehen?“, rutschte es mir heraus und sofort mussten Lily und Marlene sich die Hände auf die Münder pressen.
„Sagen wir, ich bin ja ein sehr offener Mensch, aber gewisse Dinge sind und bleiben privat“, nuschelte Sirius mit roten Wangen und diesmal kicherten wir alle.
Außer Roux, den es gerade einmal zu einem Lächeln hin riss.
„Du verstellst dich aber nicht, oder?“, fuhr Sue plötzlich hoch, „Also, ich meine… so in Zauberkunst oder so?“
„So schlecht zu sein kann man nicht spielen“, versuchte Sirius eilig von sich abzulenken.
„Es hat eben alles seinen Preis“, war Marlenes einziger Kommentar, „Nochmal zurück. Augen?“
„Die Brille schirmt alles ab“, tippte ich an das dünne Gestell.
„Ist mir gleich aufgefallen, dass mit dem Ding was nicht stimmt“, lächelte Sirius stolz.
„Ich hab's erst letztens bemerkt“, schmollte Sue und zog die Knie ans Kinn.
„Es ist ein starker Zauber“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Also wenn ich das richtig verstanden habe“, meinte Alan und beugte sich wieder ein wenig vor, „Da das Zaubereiministerium nicht sehr glücklich war, bist du bestimmt auch nicht so einfach nach Hogwarts gekommen, oder?“
„Dumbledore ist persönlich vorbei gekommen“
„Bei uns stand er auch einfach so, ganz plötzlich vor der Tür“, erinnerte Lily sich und ein verträumtes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, „War ein ganz schönes Schock für meine Eltern, so ein alter Mann im pinken Umhang“
„War bestimmt Purpur“, murmelte Roux gedankenverloren, „Das trägt er gern“
„Ist der Grund, warum du uns das alles bisher nicht erzählt hast das Ministerium?“, hakte Alan weiter nach.
„Ja“, nickte ich und atmete tief durch, „Das und-… noch etwas anderes, das ich euch aber nicht so einfach erzählen kann. Das Ministerium hat Bedingungen gestellt, unter denen ich nach Hogwarts darf. Ab und zu kann es-… in meiner Nähe sehr gefährlich werden“
„In wiefern gefährlich?“, fragte Sirius, doch ich schüttelte den Kopf.
„Ich hab es bis jetzt gut unter Kontrolle bekommen. Sollte das mal nicht der Fall sein-… sagen wir einfach, ich würdet es rechtzeitig merken. Und wahrscheinlich wäre das Ministerium ziemlich schnell da…“
„Das ist mal wieder so typisch“, schnaubte Alan und ich bemerket echten Zorn in seiner Stimme, „Nur weil jemand anders ist, hat das Ministerium gleich was dagegen“
Einen Moment herrschte verblüffte Stille, doch Alan äußerte sich nicht weiter zu dem Thema.
„Ich-… also ihr könnt mich gerne jederzeit alles fragen nur-…“
„Nur darfst du uns nicht auf alles eine Antwort geben, ist schon klar“, beendete Sirius meinen Satz.
„Hat denn jetzt noch jemand Fragen?“, fuhr Roux dazwischen, „Denn wenn nicht, würde ich vorschlagen, dass wir jetzt alle wieder ins Bett gehen. In einer halben Stunde wechseln die Lehrer ihre Patrouille und dann wäre ich nur noch ungern unterwegs“
„Es tut mir leid“, schoss ich aus meiner Ecke hoch, „dass ich euch momentan nicht mehr erzählen kann. Ich-… bin nach Hogwarts gekommen und hab mir fest vorgenommen niemals Freunde zu finden, um niemanden in Schwierigkeiten zu bringen, aber dann-…“
„Aber dann warst du einfach viel zu niedlich und wir konnten dir alle nicht widerstehen“, erhob sich Sirius ebenfalls und stupste mir mit dem Finger auf die Nase, „Schon klar, Rose, aber wir können uns selber aussuchen, wer unser Freund ist und wer nicht“
„Da muss ich ihm ausnahmsweise Recht geben“, meinte Lily und half Alan auf die Beine, „Nur weil wir hier alle zaubern können heißt das nicht, dass ich alle mögen muss“
„Wo wir schon dabei sind, du und dieser ölhaarige Schmierlappen-…“, setzte Sirius an und gab dann einen kleinen, spitzen Schrei von sich, als ich mit einem Finger schnipsen eine kleine, lodernd helle Flamme direkt vor seinem Gesicht aufflackern ließ.
„Klappe, Black“, knurrte ich.
„Wirklich ein schöner Trick“, grollte Roux und öffnete dir Tür den Besenschranks, „Und jetzt ab mit euch, das hat sicher jemand gehört.
„Na dann, Schatz“, kicherte Sirius, der sich erstaunlich schnell wieder gefangen hatte, und drückte mir einen kleinen Kuss auf die Wange, „Frohe Weihnachten ihr alle!“
Und mit einem Winken an die Anderen war er durch den nächsten Wandteppich verschwunden.
„Ob das eine so gute Idee war…“, knurrte Roux.
„Er ist in Ordnung“, versuchte ich ihn zu verteidigen.
„Macht er das immer so?“, fragte Lily mit hoch gezogenen Augenbrauen.
„Man gewöhnt sich dran“, zuckte ich hilflos mit den Schultern.
„Na dann, frohe Weihnachten“, flüsterte Lily.
„Frohe Weihnachten“, nickte Marlene, deren Augenbrauen fast unter ihrem Pony verschwunden waren, dann winkte sie Lily in den nächsten Korridor.
„Komm“, nahm Alan meine Hand und zog mich zu einer kleinen Wendeltreppe, „Am besten wir teilen uns auf. Frohe Weihnachten!“
„Aber Rose und ich müssen doch ohnehin-…“, setzte Sue an, doch da berührte Roux sie sanft an der Schulter.
„Komm, wir gehen da lang“
Und führte sie durch den letzten Korridor davon.
„Ist der Weg nicht länger?“, fragte ich vorsichtig.
„Am Ende der Treppe gibt es eine Rutsche in die Kerker“, grinste Alan, „Wenn wir uns beeilen, bist du sogar vor ihnen da. Und mit einem Vertrauensschüler kann ihr sowieso nichts passieren“
Ich musste ein Lachen unterdrücken.
„Stimmt. Dann los“
„Ach und-… Rose?“
Verwundert wandte ich mich dem jungen Slytherin noch ein Mal zu, während ich angestrengt auf Schritte aus den anderen Korridoren lauschte.
„Ja?“
„Ich-… also, ich weiß, was das Ministerium teilweise für komisches Zeug macht und ich mag dich wirklich gern und-… ganz egal, was da noch ist, was du uns nicht erzählen kannst-…“
Er ließ den Satz unbeendet, doch ich verstand ihn sehr wohl.
Am nächsten Morgen entstand ein heilloser Tumult, als meine Schlafsaal-Kameradinnen alle von ihren Weckern aus den Federn gerufen wurden und hastig versuchten die Erste im Bad zu sein. Sue verlor und unter ihren Augen erkannte ich deutliche Ringe, doch sie grinste nur zu mir hinüber und streckte mir kurz die Zunge raus. Ich verdrehte die Augen, grinste aber zurück.
„Zum Glück hab ich mir was raus gelegt“ kommentierte sie die Leere vor ihrem Bett, „Die Hauselfen müssen die Koffer heute Nacht schon geholt haben.
„Ich finde es ehrlich gesagt ein bisschen unheimlich, dass ich es nie mitbekomme, wenn sie hier sind“, grummelte Elster verschlafen.
Ich konnte ihr da nur zustimmen, auch wenn ich die Hauselfen von Hogwarts mochte. Es war erschreckend, wie ihre Magie sie selbst vor meinen übernatürlich guten Sinnen verbarg.
„Ähm… Rose?“, fragte da Annabell und blickte besorgt ans Fußende meines Bettes, „ich glaube, da ist was schief gelaufen?“
„Wieso?“, fragte ich sofort und schnellte unter meiner Bettdecke hervor.
Doch Annabell musste gar nicht antworten.
Ein Moment der Stille folgte.
„Nett von ihnen, dass sie mir noch was zum anziehen raus gelegt haben“, brummte ich und hob das Kleid mit den karierten Einsätzen auf, das Sues Mutter mit zum letzten Abendessen bei Slughorn geschneidert hatte.
Dabei lagen meine schwarzen Winterstiefel und eine dicke Strumpfhose aus goldgelber Wolle. Außerdem mein Petticoat.
Eigentlich hatte ich ja vor gehabt mich noch einmal schlafen zu legen und die Abreise der Anderen einfach zu verschlafen, doch nun blieb mir keine Wahl. Die ganzen Ferien nur in diesem Kleid zu verbringen klang nicht allzu verlockend.
„Ich komm mit euch hoch“, seufzte ich, „Dann kann ich Professor Sprout danach fragen“
„Warum gehst du nicht in die Küche und fragst di Hauselfen selbst?“, fragte Sue.
Alle starrten sie vorwurfsvoll an.
„Du weißt doch, wie sie sind“, seufzte ich und schälte mich aus meinem Pyjama, „Wenn du ihnen sagst, dass du mit etwas nicht zufrieden bist, sind sie schon knapp vorm traditionellen Selbstmord“
„Und wenn du dann sagen würdest, sie hätten einen Fehler gemacht-…“, ließ Elster den Satz in der Luft hängen.
„Jaja, schon gut“, schmollte Sue, „Nur nicht, dass Rose Koffer in Urlaub fährt“
„Dann wäre wenigstens mein Koffer unterwegs, wenn ich schon nicht weg kann“, murmelte ich, schlüpfte in das Kleid und wandte ihr meinen Rücken zu, „Kannst du mal kurz?“
Meinen Mantel über dem Arm lief ich hinter den anderen Mädchen und Felix her, die im Gehen noch einmal den Inhalt ihrer Rucksäcke überprüften.
„Es tut mir wirklich leid, Rose…“, flüsterte Sue mir da mit hängenden Schultern zu, „Ich hätte ja meine Eltern gefragt, aber ich wusste nicht, ob du das wolltest und dann hast du dich so zurück gezogen-…“
„Schon okay“, unterbrach ich sie, „Nächstes Jahr kann ich bestimmt auch nach Hause. Und Hogwarts ist ja nun wirklich kein schlechter Ort um Weihnachten zu feiern, oder?“
„Stimmt“, lenkte Sue ein, auch wenn sie nicht ganz überzeugt schien, „Was meinst du, gibt es auch ein Festessen?“
„Ich erzähl´s dir, wenn du wieder da bist“, lächelte ich, während ich neben ihr die Treppe zur Eingangshalle nach oben schritt.
„Noch besser“, hackte sich meine beste Freundin bei mir unter, „Ich schick einfach eine Eule an unseren Schlafsaal und du adressierst den Rück-Brief an meine Mutter“
„Meinst du, das klappt?“, fragte ich zweifelnd.
„Ich probier's einfach“, lächelte sie glücklich.
Und sie schien so zufrieden mit ihrer Idee zu sein, dass ich ihr nicht widersprach.
„Da bist du ja!“
Verwirrt hoben wir alle den Blick.
Fabian und Gideon hatten, ihre Rucksäcke zu ihren Füßen, neben der Treppe zum Kerker gewartet. Zwei mal traf mich exakt das gleiche Grinsen.
„Komm, wenn wir uns beeilen kriegen wir vielleicht noch ein Abteil für uns allein!“, warf sich Gideon seinen Rucksack über die linke Schulter.
„Wir haben auch schon Sandwiches gemacht“, triumphierte Fabian, während er sich seinen Rucksack über die rechte Schulter warf, „Du magst doch immer noch Kochschinken und Käse, oder?“
„Ihr seid gemein!“, fuhr Sue sie an, bevor ich auch nur die Chance hatte zu antworten, „Ihr wisst genau, dass Rose nicht nach Hause kann! Das ist überhaupt nicht witzig!“
Verwirrt blickten die Zwillinge sie an.
„Wir wissen doch, dass sie nicht nach Hause kann“, entgegnete Gideon dann und versuchte einen beschwichtigenden Tonfall anzuschlagen, was bei Sue nur Öl ins Feuer goss.
„Und was soll das Ganze hier dann?“, fauchte sie und stemmte wütend die Fäuste in die Hüften.
Wenn sie das tat, musste man wirklich vorsichtig sein. War Sue richtig wütend, konnte man nicht sicher sein, welche Tollpatschigkeit ihr gleich widerfahren würde und ob man in einem Umkreis von circa drei Metern um sie herum noch sicher war.
Die Zwillinge jedoch warfen sich nur verblüffte Blicke zu.
„Du hast es ihr doch erzählt, oder?“, fragte Gideon seinen Bruder.
„Ich dachte, das wolltest du machen!“, rief Fabian aus und zog ein wenig nervös den Kopf zwischen die Schultern.
„Aber ich hab doch gesagt, dass du das machen sollst!“, warf sein Bruder in einer Geste, die nicht wirklich Wut, sondern eher Hilflosigkeit war, die Arme in die Luft, „Ich dachte, darauf hast du dich so gefreut!“
„Und ich hab dir gesagt, dass ich mich nicht tr-…“, setzte Fabian an, brach dann ab und wurde knallrot.
„Was wolltet ihr mir sagen?“, schob ich mich an Sue vorbei.
Die beiden sahen sich an, dann boxte Gideon seinem Bruder fest gegen den Oberarm, sodass der einen Schritt nach vorn stolperte.
„Na los, mach schon“
Ruhelos zerwühlte Fabian sich mit der Linken das Haar. Er schien gewisse Probleme zu haben, mir ins Gesicht zu sehen.
„Also-… Molly, du weißt schon-…“
„Eure große Schwester“, versuchte ich das Ganze zu beschleunigen.
„Ja, genau die“, lächelte Fabian und hüpfte unruhig von einem Bein auf das Andere, „Also sie hat-… also wir haben schon vor einem Monat gefragt-…“
„Komm zum Punkt!“, blökte Elster hinter mir und Fabian zuckte zusammen.
Mit einem Kopfschütteln trat Gideon an die Seite seines Bruders.
„Wir haben gefragt, ob du nicht mit uns zu ihnen in ihr neues Haus kannst. Für Weihnachten, weil du ja sonst ganz allein hier bleiben müsstet“
„Seid ihr verrückt?“, fiepte ich erschrocken, „Das Zaubereiministerium dreht mir den Hals um, wenn ich Hogwarts einfach so verlasse!“
Wieder warfen die Zwillinge sich Blicke zu.
„Du hattest den Brief“, meinte Gideon zu Fabian.
„Nein, du“, hielt der dagegen.
Mit einem Schnalzen der Zunge packte Gideon Fabians Rucksack, griff hinein und zog eine schon ziemlich zerfledderte Ausgabe von „Quidditch im Wandel der Zeit“ daraus hervor.
„Aha!“, rief er aus, als er zwischen den Seiten ein offiziell wirkendes Black Pergament hervor zog.
„Gid…“, seufzte Fabian und nahm seinem Bruder das Buch aus der Hand, um es dann auf der ersten Seite aufzuschlagen und seinem Bruder den dort hin gekrakelten Namen zu zeigen, „Das ist dein Buch“
„Oh…“, erwiderte der nach einer kurzen Pause, dann grinste er verlegen, „Mein Fehler“
„Gib her“, fauchte ich, denn mir ging langsam die Geduld aus und ich riss ihm den Brief aus der Hand.
Allein schon bei der Berührung des extra dicken Pergaments lief mir ein unangenehmer Schauer den Rücken hinab. Dies war das Briefpapier des Ministeriums, kein Zweifel. Doch die Schrift wirkte anders, als bei allen Briefen, die ich bisher von dort erhalten hatte. Viel schwungvoller, weniger ernst.
Ich las.
Lieber Gideon, lieber Fabian,
Ich habe mit dem Leiter der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit gesprochen, sehr netter Kerl, wirklich. Er hat mir gesagt, dass er eure Briefe erhalten hat und anscheinend hat sich auch Professor Dumbledore für euch ausgesprochen, deshalb hat er natürlich eingewilligt, dass ich für die Ferien ein Auge auf eure Freundin habe.
Molly und ich freuen uns schon sehr auf euch drei!
Grüße,
Arthur
„Wer ist Arthur?“, fragte ich schwach.
„Mollys Mann“, antwortete Fabian verblüfft, „Hab ich das etwas auch vergessen zu erzählen?“